Drogen und Zahlen – Das muss doch Poesie für Architekten sein

Beitrag veröffentlicht am: 13. Juni 2014

Der Wind hat gerade meinen Stichwortzettel in den Papierkorb geschubst. Ein Zeichen heute an einem Freitag, den 13.?  – Ein gutes, denke ich, für etwas poetisches Zahlenspiel zum Wochenende.

In meinem derzeitigen Lieblingsgedichtband „Morphine“ gelingt es Mikael Vogel auf die feinste Weise, Lyrik subtil mit mathematischem Sachverstand zu verweben. In den Opiumdünsten und Textgespinsten entdecke ich immer wieder Versatzstücke, die mich, Kind einer Zahlenfamilie, auf Gedankenreisen schicken. Es begann schon bei der ersten Lesung Mikael Vogels, noch vor Erscheinen des Buches, mit der Riemannschen Vermutung, die „von den Gestirnen auf den nackt ausgestreckten Körper nachgezeichnet“ wird. Danke für das sich von da an eröffnende Kontextuniversum!

Dass den Kapitelüberschriften die Primzahlen in aufsteigender Reihenfolge vorangestellt sind, schlägt formal den Bogen zurück zu Riemann. Dieser aufsteigenden Zahlenreihe steht grafisch an exponierter Stelle gesetzt und dennoch gut versteckt, das binäre Zahlensystem gegenüber. In einem, schon von Clemens Eich besungenen Zwanzig-nach-drei-Dämmerzustand kam ich den Abfolgen von kurzen und langen Strichen auf die Schliche.

 

Abb. 1: The zeros of the Riemann zeta function. Region: x=-10..10 y=0..100 Hue is complex phase (red is 0), brightness is absolute value (brighter is less, darker is more) | Author: Jan HomannAbb. 2: Vexierbild – Gestalterisch gibt es bei einem Buch aus dem Verlagshaus J. Frank | Berlin immer etwas zu entdecken. Grafiker Dominik Ziller setzt in die rechte obere Ecke jeder ungeraden Seite einen geheimnisvollen Strichcode. Ein kurzer Strich für 0, ein langer Strich für 1. Ein richtiger Hingucker, nicht nur für rechneraffine Maschinencode-Programmierfreunde.Abb. 3: Absteigende 2er-Potenzen des Binären Zahlensystems als Gegenspieler der aufsteigenden Primzahlen

Aber es geht natürlich nicht nur um Zahlen. Wie einen Popsong hatte ich bei meiner letzten Reise den „Warteschleifenblues“ im Ohr, als das Flugzeug vom Meer zum Land wechselte und nur wenig später zum Landen ansetzte. Es ist so wahr: „Dir mitten im Leichtsein diese Landebahn anziehen zu müssen!“ Diese Poesie braucht keine Musik, um Popsong zu sein. Wer sich auf diese Texte einlässt, wird eine Ahnung von der Tiefe des Wissens des Autors bekommen und einen kurzen Blick in die Metaebene werfen können, aus der Mikael Vogel seine ureigensten Erfahrungen für uns in Form von Dichtkunst transportiert.

Ich werde das Buch wieder und wieder zur Hand nehmen, um „volatilen Zahlenreihen“ zu folgen, um „irgendwo in π“ der „Japanischen Blattspinne“ oder der „Fledermäusin“ zu begegnen. Die Gedichte sind kurz, sind perfekt für das kurze Heraustreten aus dem Strom des Alltags. Ich freue mich schon auf die nächsten Entdeckungen und kann diesen Band nur empfehlen – vielleicht als Geschenk für den geneigten Kollegen oder als Aufmerksamkeit für die Baudame, den Bauherrn, um das gemeinsame Entwerfen und Bauen auf eine breitere Gemeinsamkeit zu stellen.

poetisiert euch.

 

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weitere Bücher entdecken: Verlagshaus J. Frank | Berlin

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