Der Mix aus Kork und Leinöl

Beitrag veröffentlicht am: 5. Februar 2011

“… also, das mit dem totsanieren kann ich nur bestätigen. denkste man findet in se berlin noch schöne albauwohnungen? hauptsache billig saniert, diese profitgeier. das macht das ganze flair kaputt-tot. da brauch ich auch nicht mehr in nen altbau zu ziehen. pvc-platten, linolium, laminat. keine ahnung wie das material der neuen häslichen scheißtüren heißt. stuck übergeschmiert oder decke vertieft.ach, und diese schönen doppelfenster! …

Ja, es ging neulich hoch her im sozialen Netzwerk. Hier machte sich eine meiner FreundInnen mal so richtig Luft. Und ich könnte Ihr voll und ganz zustimmen, wäre da nicht Linoleum mit unter die Räder gekommen.

Historische Muster auf haptisch wunderbaren Linoleumstücken von memoleum
Historische Muster auf haptisch wunderbaren Linoleumstücken von memoleum

Linoleum ist ein Baustoff mit langer Tradition. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt der englische Chemiker Walton das Material aus Leinöl und Korkmehl. Zur besseren Anwendung des elastischen Belages wird Segeltuch und später Jutegewebe als Träger eingesetzt. Linoleum wird neben dem klassischen Einsatz als Fußbodenbelag auch in der Möbelherstellung verwendet. Übrigens der graue Untergrund auf dem Foto ist meine Arbeitsplatte mit Linoleumoberfläche.

Bemerkenswert ist noch ein Aspekt: Das Leinöl oxidiert sein Leben lang. Dadurch entstehen fortwährend an der Oberfläche des Linoleums minimale Mengen von Aldehyden. Diese hemmen auf natürliche Weise das Wachstum von Mikroorganismen, wie etwa Bakterien und Pilze.

In den 1960er Jahren lässt die Herstellung von PVC-Belägen den Markt von Linoleum einbrechen. Seither ist es eher in der Nische (Bio) bzw. im Hochpreissegment (Objektware) zu finden. Landläufig wird es immer noch/wieder mit den “stinkenden” PVC-Belägen verwechselt. Nach eingehende Beratung durch ihren Architekten lassen sich aber mehr und mehr Bauherren auf Linoleum ein. Und sie werden nicht enttäuscht.

Sind Sie schon einmal Linoleum begegnet? Welche Erfahrung haben Sie mit mit dem Mix aus Kork und Leinöl gemacht? Schreiben Sie einen Kommentar.

Detailliertes Wissen gibt es natürlich bei Wikipedia und den kostenlosen Testbericht bei Öko-Test Online

Kommentare

  • Jessy sagt:

    Lieber Jan!

    Habe Deinen Beitrag aufmerksam gelesen und mich noch einmal ein bissl schlau im Netz gemacht.

    Da ja Linoleum dauerhaft Aldehyde und Ketone ausgast, können dadurch ja schon bei sensibilisierten Menschen gesundheitliche Störungen auftreten.

    Ich habe mal folgendes dazu gefunden:

    A l d e h y d e u n d K e t o n e
    Außer dem sehr häufig vorkommenden Formaldehyd gibt es verschiedene andere höherwertige Aldehyde und Ketone, die aus verschiedenen Materialien ausgasen und die Raumluft belasten. Quellen sind z.B. Alkydharzlacke und trocknende Öle, wie sie in Naturharzlacken, Leinölfirnis und Linoleum vorkommen. Während des sehr langen Trockenprozesses werden Aldehyde und Ketone abgespalten. Auch in Duftölen und durch Koch-und Backdämpfe.
    Beschriebene Gesundheitsstörungen.
    Reizungen der Schleimhäute der Augen und Atemwege, Geruchsbelästigung, sonst wie Formaldehyd
    (Aldehyde) und Lösemittel (Ketone). MCS, CFS, SBS

    MCS
    Multiple Chemical Sensitivity – Vielfache Chemikalienunverträglichkeit
    Der Körper reagiert übersensibel auf Chemie durch Schädigungen des zentralen Nervensystems und Belastungen von Herz-Kreislauf, Lungen, Gelenke, Muskeln, Hals-Nasen-Rachenraum durch einmalige hohe Konzentration oder langandauernde geringe Konzentration

    CFS
    Chronic Fatigue Syndrom – Chronisches Müdigkeitssyndrom
    Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen
    durch Störungen des Immunsystems durch Umweltbelastungen (z.B. Lösemittel )

    SBS
    Sick Building Syndrom – krankes Haus Syndrom
    Oberbegriff für Krankheitsbilder und Befindlichkeitszustände durch
    Baustoffe – Einrichtung – Licht – Heizung – Klima – Bakterien – Pilze – VOC (Lösemittel )

    Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) beschreibt folgende Symptome für SBS:
    – verstopfte Nase
    – Juckreiz der Nasenschleimhäute
    – tropfende Nase
    – ausgetrocknete Schleimhäute
    – tränende, juckende Augen
    – Engegefühl der Brust
    – Erschöpfungszustände
    – Kopfschmerzen
    – Konzentrationsstörungen
    – Übelkeit und Schwindel
    – unspezifische Überempfindlichkeit

    Nun bin ich doch ein wenig irritiert!?!?

    Was sagst Du dazu? Man kann je Wohnraumgifte auch bestimmen lassen durch z.B. Kohlefilter, die man dann über einige Zeit in den Räumen aufhängt.

    Hälst du das für sinnvoll,Jan???

    Ganz lieben Gruß an dieser Stelle & freue mich über weiteren Austausch!

    Jessy 🙂

  • BO sagt:

    Hi Jessy, habe recht herzlichen Dank für diesen ausführlichen Kommentar. Ich kann sehr gut verstehen, dass gerade Materialien, die im Wohnbereich eingebaut oder in unserem Fall verlegt werden, einer besonders kritischen Analyse unterzogen werden.
    Ich versuche mal eine Antwort, die sich aus zwei Teilen zusammen setzt. Auf der einen Seite haben wir die Bewertungen aus rein menschlicher Sicht. Dabei meine ich das Abwägen von Gefahren vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen, unserer Vernunft. Vielleicht ist es vorschnell zu behaupten, dass die Gase, die aus dem Linoleum fortwährend austreten, so gering sind, dass sie im Verhältnis zu anderen Belastungen, die wir ohne Murren hinnehmen, nicht ins Gewicht fallen. Gerade im Hinblick auf homöopathische Effekte, (je größer die Verdünnung, desto stärker die Auswirkung) wäre das möglicherweise leichtsinnig. Dennoch bin ich der Meinung, wir müssen Kompromisse finden zwischen minimalen Belastungen, die vielen natürlichen Einwirkungen adäquat sind, und den Emissonen künstlich produzierter Stoffe. Ich bin sicher, dass wir auch immer jemanden finden werden, der auf Eichenholz allergisch reagiert und deshalb rigoros von Eichendielen als Fußboden abrät. Klar, auf persönliche Befindlichkeiten muss man reagieren.
    Dem gegenüber steht die Welt der Wissenschaft und der Normen, MAK-Werte & Co. (Maximale ArbeitsplatzKonzentration) Die sind für den modernen Mensch Grundlage für stichhaltiges Argumentieren. Ein schönes Beispiel für ein perfektes Dossier ist die Richtlinie 1201 für die Vergabe des Qualitätszeichens natureplus.

    Als Architekt stehe ich immer zwischen diesen beiden Polen – dem natürlichen Verständis der Welt und dem richtlinienweisenden gemessenen Wert. Beides muss ich dem Bauherrn/Kunden nahe bringen. Ich bin für Linoleum von Herstellern, die auf Nachhaltigkeit achten und die die feinsten Bio-Emissonswerte einhalten. Deshalb verwende und empfehle ich gern Linoleum.

  • steffen sagt:

    tach herr bodenstein,

    haptisch noch interessanter wird es, wenn du linoleum bei der herstellung mit einer matrize überrollst, es vom boden aufhebst und das ganze an die wand bringst, heißt dann linkrusta, wunderbare sache, paneele in jugendstilzeiten…

    grüße aus einer der deutschen hauptstädte

  • BO sagt:

    @Steffen
    Ja, stimmt. Habe ich auch schon mal irgendwo gesehen. Dass es Linkrusta heißt, wusste ich gar nicht. Danke für den Blick über den Fußbodenhorizont hinaus.

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