Beitrag veröffentlicht am: 22. Juni 2010
Entwerfen heißt, Ausgewogenheit zu finden. Es gibt im Japanischen ein Wort für den Ort dazwischen, den Zwischenraum – “ma”. Es ist der zeitliche Abstand zwischen zwei Zuständen. Es ist der Bereich des Übergangs, in dem sich ein Pendel am Umkehrpunkt zwischen Aufwärts- und Abwärtsbewegung befindet. Es ist der Zustand dieser kurzen Ruhe. Es ist der Moment, kurz bevor etwas passiert, bevor sich etwas ändert, bevor etwas klar oder bewusst wird. Aber eben nur kurz davor. Es ist der beste Moment in der Achterbahn, kurz nach dem Aufstieg, kurz vor dem Fall. Es ist die Erwartung. Es ist der Zwischenraum. – ma
Ich glaube, das ist das Umfeld, in dem “Entwerfen” angesiedelt ist. Wenn du etwas entwirfst, dann beginnst du auf einem leeren Blatt Papier. Die Möglichkeiten scheinen endlos, die Aufgabe scheint unlösbar. Tatsächlich überwinden die meisten von uns genau diesen Punkt nicht. Aber während du auf das leere Papier starrst, überkommt dich die Erinnerung an alles, was du früher gemacht hast. Das leere Blatt füllt sich mehr und mehr mit all deinem Wissen und – noch viel wichtiger – mit all deinen eigenen Erfahrungen. Alles, was du über das Projekt weißt, schwirrt dir jetzt durch den Kopf: die Einzelheiten, die Zusammenhänge, die Möglichkeiten, die Hindernisse, die Strukturen, der Kontext. Eventuell wirst du einen Impuls fühlen. Das ist der Zeitpunkt, an dem du beginnst zu zeichnen…
Genau der Moment zwischen all dem, was vorher war, und dem, was jetzt kommen wird. – ma.
Jody
Artikel ist im Original erschienen unter: What is Design? auf www.coffeewithanarchitect.com (Trackback URL)
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Übersetzung/Translation: BO
Kommentare
[…] erinnere ich mich an den Blogbeitrag “Was ist Entwerfen” von Gastautor Jody Brown […]