Zu Gast bei Freunden

Beitrag veröffentlicht am: 5. Juni 2010

Auf dem Potsdamer Platz startet die 10. Lange Nacht der Wissenschaften in Berlin. Nur zufällig stehe ich daneben und nehme mir kurzentschlossen ein Programmheft mit. Viel Zeit bleibt mir ja heute nicht mehr in der Hauptstadt, aber los. Im Stichpunktverzeichnis unter Architektur nachgeschlagen, fällt mir 100ff ins Auge: Haus des Bauens/Peter-Behrens-Halle der Technischen Universität Berlin.

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Und tatsächlich, die wunderbare Turbinenhalle, die Behrens 1909 für die AEG entworfen hat und um die ich erst neulich herum geschlichen bin, steht offen. Die verschiedenen Disziplinen des Bauingenieurwesens stellen sich und ihr Können mit allerlei Versuchsanordnungen, Modellen und Infotafeln vor. Zuerst bleibe ich bei den Jungs von der Erdbebenabteilung hängen. Ein kleiner Wettbewerb ist am Laufen: Baue mit Legosteinen das Brandenburger Tor nach. Eine Mindestgröße ist festgelegt und je leiechter das Modell, desto höher die Startpunktzahl. Diverse Kreationen werden auf die Platte des Erdbebensimulators gedrückt. Nacheinander werden die Frequenzverläufe von historischen Erdbeben eingespielt. Einige Tore fallen bei dem Erdbeben damals in der Türkei, andere bei dem Japanischen in Kobe. Kaum eins schafft die letzte Stufe: das El Centro der Andreasverwerfung in Kalifornien. Hier lerne ich, dass dieses Erdbeben als Referenzerdbeben fungiert. Alle neuen Häuser Kalifornien müssen diesem Erdbeben rechnerisch Stand halten, sonst gibt es keine Baugenehmigung.

Bei den Materialprüfern geht die Post ab. Eine riesige Spindelpresse schickt sich an, diverse Betonprüfkörper zu zermalmen. Die selbst geschriebene Software zeigt deutlich den Verlauf des Kraft-Weg-Verhältnisses. Beton reißt, Stahl fliest, Stahl reißt, Beton bröselt. Die Dialogbox zum Starten des Versuchs ist in schnoddrigem Ingenieursslang überschrieben: Mach Schrott das Ding. OK – einen Abbruch-Button gibt es nicht.

Auf meinem weiteren Weg komme ich an der Versuchsanordnung vorbei, die den Treibhauseffekt simuliert. In zwei Kammern, die eine mit Sauerstoff gefüllt, die andere mit Kohlendioxid, steigen die Temperaturen am Boden auf verschiedene Stände, nachdem die Sonne – ein Scheinwerfer – von oben Wärmestrahlung sendet. Kohlendioxid wirkt als dreimolekulares Gas wie ein Spiegel und reduziert die Wärmestrahlung vom Boden ins All. Es wird also wärmer auf der Erde. Die Jungs von der Aquadynamik geben sich am Flussmodell richtig Mühe, mir anhand von Energiediagrammen zu erläutern, wie sich Staustufen, Geschwindigkeiten und Bodenwellen auf den Querschnitt des Wassers auswirken. Brücken aus Spaghetti werden auf ihre Belastbarkeit getestet. Der rasante Versuch zum hydraulischen Grundbruch lässt erahnen, was da in Nachterstedt los war. Mit dem Schöpfer des riesigen Brückenmodells mit integrierter aktiver Schwingungsdämpfung quatsche ich mich fest. Moment mal, ich musste doch vorhin schon zum Zug.

Glücklicherweise sitze ich jetzt im Lumpensammler, also der letzten Bahn des Tages, und habe eine Stunde Zeit zu bloggen. “Zu Gast bei Freunden” finde ich einen passenden Titel. Traditionell soll ja das Verhältnis zwischen Bauingenieuren und Architekten nicht so doll sein. So’n Quatsch.

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