Beitrag veröffentlicht am: 1. Mai 2011
Ein tonnenschweres Gebäude bewegt sich. Der Baugrund, auf dem es steht, trägt es nicht. Risse entstehen, später fallen Putzstücken herab. Seit Jahren wird mit Sorge die Entwicklung in der Fronleichnamskapelle der St.-Katharinenkirche beobachtet. Experten der Denkmalpflege geben zwischenzeitlich beruhigende Prognosen zu Zustand und weiterer Bewegung. Doch diese erweisen sich als Irrtum.
Foto: Wellkisch | Kirchenältester Dr. Oßwald, Bodenstein, Meier
Ein beherzter Gemeindekirchenrat fasst den Beschluss, die Fronleichnamskapelle zu retten. Erste Sicherungskonzepte werden aufgestellt. Fördermittel werden erfolgreich eingeworben. Rasche Hilfe scheint greifbar nah. Doch der Baugrund erweist sich als noch tückischer, als erwartet, die Bausubstanz ist in noch schlechterem Zustand, als angenommen. Selbst umfangreiche Gutachten und Untersuchungen können nicht das wahre Ausmaß der Probleme in der Tiefe des Baugrunds erfassen, können nicht in meterdicke Mauern hinein schauen. Der anfangs sichere Finanzierungsrahmen wird gesprengt von erforderlichen Maßnahmen, die zu Beginn des Vorhabens nicht abzusehen waren.
Doch ein beherzter Gemeindekirchenrat lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. Gemeinsam mit dem Kreiskirchenamt Salzwedel wird ein neues, sehr gewagtes Finanzierungkonzept aufgestellt und binnen eines an ein Wunder grenzend kurzen Zeitraums umgesetzt.
Seit 12. März arbeitet der Spezialtiefbaubetrieb Keller Grundbau aus Bad Fallingbostel an der Katharinenkirche. Mittels aufwendiger, hochmoderner Technik werden 94 Betonpfähle in den Baugrund eingebracht. Die optimale Anordnung der Pfähle haben vier unabhängig voneinander arbeitende Statiker ermittelt. Die hohe Kunst ist es, die Betonpfähle so einzubauen, dass das Bauwerk während der Arbeiten keinen Schaden nimmt. Mit einem Durchmesser von 1,2 m reichen sie bis in eine Tiefe von 7 m. Erst dort finden die erfahrenen Maschinisten tragenden Baugrund.
Wenn die Arbeiten Ende Mai abgeschlossen sind, wird die Katharinenkirche nicht in neuem Glanz erstrahlen. Am Ende der Arbeiten wird die Fronleichnamskapelle vorm Einsturz bewahrt sein. Jedoch für die Reparaturarbeiten der über die Jahrhunderte entstandenen Risse sowie die Wiederherstellung des Fußbodens wird noch ein Bauabschnitt von Nöten sein. Es wird unser aller Anstrengung erfordern, auch diesen in naher Zukunft zu realisieren. Bis zum Abschluss dieses letzten Abschnittes wird eine Holzwand die Fronleichnamskapelle vom Kirchenschiff trennen, werden Stahlstützen vor den historischen Mauern stehen und werden keine Festzüge durch das Westprotal in die Katharinenkirche schreiten.
Neulich sagte mir ein Gemeindeglied, dass es ihm vorkomme, als hätten in der kritischen Phase Engelsscharen die Westwand gehalten und die Fronleichnamskapelle vor dem Einsturz bewahrt. Ich finde dies ein sehr schönes Bild. Gemeinsam werden wir die Arbeiten zu einem erfolgreichen Ende bringen.
Ihr Architekt Jan Bodenstein
Beitrag für den gemeindebrief Juni, Juli und August 2011 der Ev. Kirchengemeinde St. Katharinen Salzwedel sowie Ev. Kirchspiele St. Georg Salzwedel, Altensalzwedel und Kuhfelde
Kommentare
Vielleicht mögen Sie ja Änderungswünsche und Kritik hier im Kommentarbereich mit mir austauschen.
Ich finde den Artikel super! Noch eingutes Foto von der Baustelle und vielleicht noch einen Engel darüber und die Seite ist gefüllt.
Danke! Herr Wellkisch hat gestern zwei gute Fotos gemacht, auf denen die Protagonisten zu sehen sind. Bestimmt dürfen wir da eines verwenden.
Sie sind wohl doch noch mehr als „nur“ Architekt. Nicht schlecht!
Danke! Muss doch hin und wieder das Berufsbild „Architekt“ etwas aufmöbeln.
Wir haben noch einen Platz im Redaktionskreis für Sie. Danke für die Fotos!
Dürfen wir diesen Auch auf unsere Website Stellen?
http://www.gemeinde-bunt.de bzw. katharinenkirche-salzwedel.de
Die Fotos sind, wie gesagt, von Herrn Wellkisch. Wir müssen ihn fragen. Ich habe nichts dagegen.
mir gefällt am besten, dass rettungsengel so schön menschlich aussehen!!!! viel erfolg!!!!
Sehr charmant ausgedrückt! Danke.